Besichtigung Zuidam Destillerie
Blogger/Vloggertreffen in Oberhausen

Mehr oder weniger regelmäßig trifft sich eine Horde der deutschsprachigen Whiskyblogger und –vlogger zu gemeinsamen Brennereibesuchen, Verköstigungen und geselligen Abenden. Diesmal hatte uns Kirsch Whisky eingeladen unter der Führung von Michel Reick von Oberhausen aus gemeinsam mit dem Bus zur niederländischen Zuidam Destillerie nach Holland zu fahren und den Abend nach der Rückkehr dann im Whiskyhort ausklingen zu lassen. „Zuidam? Nie gehört“ werden sich vielleicht einige sagen, aber wenn man dann erwähnt, dass von dort der „Millstone“-Whisky kommt, wird vermutlich wieder genickt. Persönlich hatte ich vor der Tour, wenn ich meinen Aufzeichnungen trauen darf, erst drei verschiedene Millstone im Glas, die bei mir unter „Nicht überragend, aber völlig in Ordnung“ liefen. Solide Daily Drams halt, wodurch schon der Gedanke aufkam „Eine Brennerei, die sehr solide Daily Drams macht, hat doch bestimmt hochspannende Einzelfässer…..“. Spoiler: Mein Gedanke war alles andere als verkehrt.
Da es schon Mittags in Oberhausen losgehen sollte, erlaubte ich mir den Luxus bereits einen Tag vorher anzureisen und das Wochenende mit einer gemütlichen Teilnahme am Whisky Bazaar im Whiskyhort einzuleiten. Dort nach langem Stau angekommen, jammerte ich dem erstbesten bekannten Whiskytrinker direkt einen von meiner Anfahrt vor („Boah ey….für 350km hab ich über fünfeinhalb Stunden gebraucht“) und fing mir direkt einen ein („Joa…..meine Mutter fährt auch so…“). Der Ton war gesetzt für einen entspannten Abend mit diversen Whiskyfreunden und eventuell auch ein oder zwei kleinen Drams…..
Am nächsten Morgen wurde mir beim Anblick der ganzen Blogger-Horde, der klirrenden Taschen und dem sich in die Runde einschmuggelnden Marco Bonn vom Brühler Whiskyhaus so langsam bewusst, auf was ich mich da eventuell eingelassen hatte: Zwei Stunden Busfahrt, auf der mit Sicherheit der ein oder andere Dram zur Vorbereitung des Gaumens getrunken werden würde, anschließend Brennereibesichtigung, Fassproben und Verkosten vor Ort, dann zwei Stunden Rückweg im Bus mit bestimmt ein oder zwei gefüllten Gläsern und Ausklingen lassen im Whiskyhort bei eventuell einem kleinen Whisky oder so. Sicherheitshalber jagte ich mir noch ein paar zusätzliche Brötchen für die Fahrt, um den Tag irgendwie zu überstehen.
Im Mannschaftsbus von Rot Weiß Oberhausen ging es dann auf die lange Fahrt und nach kaum fünf Minuten kam der erste Whisky ins Glas: Bevor es für den ganzen Tag nur noch Abfüllungen von Millstone geben sollte, gab es zur Einstimmung erstmal ein Sample eines neuen 15 Jahre alten Linkwood aus dem Sauternesfass von Marco Bonn. Da ich mit Sauternesfässern leider häufig nur sehr, sehr wenig anfangen kann und sich das hier fortsetzte, kann ich zu der Abfüllung allerdings nichts so richtig objektives sagen. Lest im Zweifel die Berichte der ganzen Bloggerkollegen dazu, wenn ihr einen Eindruck haben möchtet. Apropos Eindruck: Den machte bei mir umso heftiger der zweite Dram und erste Millstone des Tages: Eine 27 Jahre alte Single Cask-Abfüllung, durchgehend gelagert in frischen American Oak-Fässern, abgefüllt mit 41,57%. Richtig. Geiles. Zeug. Wie ein fruchtiger alter Bushmills oder ein milder Schotte. Sanft, leicht, trotzdem mundfüllend und eindrucksvoll. Wow. Ein kurzer Blick in diverse Onlineshops ergab: Leider nicht meine Preisklasse. Trotzdem großartig.
Weiter ging die wilde Hinfahrt mit der aktuellen „Dutch Tulip“ und anschließend der „Dutch Windmill“-Abfüllung: Beides sehr süffige Sherrfasslagerungen, die bei mir wieder genau den Eindruck machten, den ich von Millstone schon vorher hatte: Sehr solide Daily Drams mit einem ordentlichen Preis-Leistungs-Verhältnis. Damit macht man, auch im Vergleich zu schottischen oder irischen Whiskys, nichts verkehrt.
Als der Bus dann nach zwei Stunden mitten in einem Gewerbegebiet in den Niederlanden neben einem Autohaus anhielt und wir zu etwas dirigiert wurden, was wie ein Bürogebäude aus „Schöner Wohnen“ aussah, wirkten viele von uns erstmal verwirrt: Das sollte die Brennerei sein? War es natürlich nicht, sondern nur der wirklich schicke vorgelagerte Büro- und Showroom-Bereich von Zuidam. In diesem wurden wir von Brennereibesitzer Patrick van Zuidam direkt begrüßt und erstmal mit Kaffee, Tee und Süßigkeiten versorgt, bevor es gemeinsam mit ihm und seinem Angestellten Ricardo (Hier bin ich mir beim Namen nicht zu 100% sicher) auf große Tour durch die sonst nicht zu besichtigende Brennerei mitsamt Fasslager und Bottling Hall ging. Die Tour begann dabei für uns mit einem 12 Jahre alten, fassgelagerten Genever, während Patrick einen kurzen und vor allem sehr launigen Überblick über die Brennereigeschichte gab. An dieser Stelle sei es genau einmal erwähnt: Millstone macht „nebenbei“ ganz hervorragende fassgelagerte Genever aus Bourbon-, Sherry- oder auch White Port-Fässern, teilweise sogar als Peated-Varianten, die richtig lecker sind und bei denen ich mir fest vorgenommen habe, davon mal was in ein Blind Tasting zu schmuggeln. Glaube nicht, dass irgendwer die von einem Whisky unterscheiden kann. Genever-Werbeblock Ende.
Über die beeindruckende Brennanlage und einen dort verkosteten leckeren Rye Whisky ging es dann, immer begleitet von den auch weiterhin sehr launigen aber auch informativen Ausführungen von Patrick, in einige Teile des auf verschiedene Gebäude verteilten Fasslagers. Beeindruckend war übrigens, wie Patrick während seiner Ausführungen es immer wieder gekonnt schaffte, dass klassische Verhalten der ständig filmenden, fotografierenden, mitschreibenden, herumwuselnden Blogger wegzustecken. Patrick war hier eindeutig ein Profi, denn ich glaube nicht, dass eine Horde wissbegieriger und überall ihre Nase reinsteckender Blogger leicht unter Kontrolle zu halten ist.
Unterwegs im auf mehrere Gebäude und Gebäudeteile verteilten Fasslager (15.000 Fässer insgesamt, davon etwa 8.000 mit Whisky) gab es dann noch eine Peated-Variante des Millstone und eine sehr alte Sherryfassabfüllung zu der ich mir leider nichts notiert habe (Mein Hinterkopf sagt 28 oder 29 Jahre Vollreifung) – Beides sehr intensive, spannende Whiskys, wobei der Peated mir besser gefiel als die alte Sherrybombe (Was aber ja eh nicht so meine Komfortzone ist). Als es dann noch in Richtung Bottling Hall und Gärbottiche ging, wurde ich mit jedem Schritt erstaunter, wie groß die Zuidam Destillerie doch eigentlich ist. Man ließ uns Blogger zudem nach Herzenslust überall rumtoben, reingucken, fotografieren und filmen, was die Führung noch einzigartiger machte, weil man beim stromern durch irgendeinen Gang immer mal wieder etwas Neues entdecken konnte.
Zum Abschluss hatten wir dann nochmal die Gelegenheit uns im Showroom durch die gesamte Palette an Produkten der Zuidam Destillerie zu verköstigen: Jede Menge Whisky (Ich hatte noch eine White Port-Abfüllung und den Heavily Peated New Make), aber auch Genever, Gin sowie Limoncello und andere Liköre standen zur freien Verfügung, aber auch literweise Wasser, welches ich nach dem ganzen Whisky dringend brauchte, wenn ich den Rest des Tages überstehen wollte. Vollkommen überraschend gab es auf der Rückfahrt dann noch weiteren Whisky, wobei ich in den zwei Stunden nur noch einen Peated White Port-Millstone getrunken und die Rückfahrt ansonsten zur aktiven Lebererholung genutzt hab.
Nach der Fahrt ging es dann zum Ausklang in Oberhausen direkt in den Whiskyhort, wo uns neben ein paar weiteren Millstone-Abfüllungen auch leckere, frittierte hollländische Spezialitäten erwarteten. Patrick war dem Bus von der Brennerei aus mit seinem eigenen Auto die zwei Stunden gefolgt und stellte uns persönlich noch einige weitere Abfüllungen seiner Brennerei vor. Gut in Erinnerung geblieben ist mir dabei noch ein sieben Jahre altes Oloroso Cask, bei dem ich ja dank Sherryabneigung nicht so die Zielgruppe bin, welches aber selbst für mich mächtig lecker war. Der Abend verging dann unter ständigem Gesabbel mit all den lieben Bloggerkollegen und dem Team des Whiskyhorts wie im Fluge. Als ich gegen Mitternacht, nachdem Whiskyhort-Chef Frank nochmal tief in seine Glendronach- und Ledaig-Vorräte gegriffen hatte, dann mit der lässigen Eleganz eines Panzerschrankes aus dem Whiskyhort stolperte, ging für mich ein langer, aber wirklich schöner Tag zu Ende. Es ist immer wieder großartig mit all diesen Blogger- und Vloggernerds zusammenzutreffen und ich freue mich jetzt schon auf das übernächste Treffen, denn der folgenden Termin im November bei Finch passt leider nicht in meinen Kalender.
Ein großes DANKESCHÖN geht raus an Patrick und Ricardo von Zuidam für die tolle Gastfreundschaft, an das Team von Kirsch Whisky für die Einladung zu der Fahrt und die ganze Organisation, an das tiefenentspannte Team vom Hort für den schönen Ausklang, an Jason fürs Zusammentrommeln der ganzen Bekloppten und natürlich an die ganzen Bekloppten selber, auf die ich mich immer so freue. Es war mir mal wieder ein inneres WM-Finale.