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Hanse Spirit 2023

Jan. 31, 2023

Nachbericht Hanse Spirit 2023

Nach drei Jahren war es endlich mal wieder soweit: die Hanse Spirit in meiner geliebten Heimatstadt Hamburg stand an. Von Donnerstag bis Samstag ging es bei 75 Ausstellern in der Messehalle B1 drei Tage um Whisky, Gin, Rum und alle möglichen anderen Spirituosen, wobei ich allerdings gestehen muss, dass ich mich abgesehen von zwei Ausnahmen ausschließlich mit Whisky befasst und die anderen Stände ignoriert habe. Sicherlich hab ich dabei das ein oder andere spannende Getränk verpasst, aber ich hatte nur einen Tag Zeit und die Kapazität meiner Leber ist dann doch leider endlich. Selbst beim Whisky konnte ich mich nicht annähernd allen Ausstellern so widmen, wie ich es gerne getan hätte, denn es gab einfach viel zu viel leckere Sachen, so dass ich schon ziemlich genau picken musste.


Als ich gegen 15 Uhr die Messehalle betrat und mich in die Schlange am Einlass einreihte, war ich erstmal erschrocken über die Jungs vor mir in der Reihe, die sich mit Jacky-Cola aus der Dose auf den Besuch vorbereiteten - Offensichtlich hatten diese heute andere Ziele als ich. Das „Ambiente“ in einer Messehalle ist natürlich immer schwierig und es kann vom ganzen Flair mit der zuletzt genutzten Fischauktionshalle direkt an der Elbe natürlich nicht annähernd mithalten, aber durch einige Pflanzen, ein wenig Teppich und andere kleine Dinge, war es schon in Ordnung. Großer Vorteil gegenüber der Fischauktionshalle: der Platz, der einfach in einer Messehalle gegeben ist, so dass es einfach niemals irgendwo eng wurde. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass es auch im Obergeschoss noch ein paar Stände mehr gegeben hätte, aber es muss ja auch noch Luft nach oben sein. Top übrigens auch die beiden Trinkwasserzugänge direkt in der Halle, so dass man sich das Schleppen einer eigenen Wasserflasche ersparen konnte. Kleiner Überlebenstipp für Whiskymessen: jede Menge Wasser trinken und sich insbesondere bei Durst nicht von einem der Bierstände verlocken lassen.


Was vor meinen Erzählungen zu meiner Rundreise an den ganzen Ständen vorbei unbedingt abolut lobend erwähnt werden muss: an jedem Stand an dem ich war, hatten die Aussteller ganz offensichtlich Lust, sich zu unterhalten, ein bisschen zu fachsimpeln, zu erzählen, zu empfehlen oder einfach nur über irgendwas zu quatschen. Selbst wenn der Stand gerade mal von Besuchern belagert wurde, wurde sich immer Zeit genommen. Das hab ich auf Messen auch gelegentlich schon mal anders erlebt und ist mir hier sehr positiv aufgefallen. Ich hab übrigens vor lauter Gesabbel mit den Beschäftigten an den Ständen und den unzähligen Bekannten gerne mal vergessen, die Flaschen zu fotografieren, die ich probiert habe, also gibt es nur Bilder von den Whiskys, bei denen ich nicht schnell genug abgelenkt werden konnte.


Nachdem ich meine Jacke abgegeben hatte, führte mich mein erster Weg ins Obergeschoss an den Stand von Jack Wiebers und allein die unzähligen spannenden Abfüllungen, die ich dort entdeckte, hätten mich den ganzen Tag beschäftigen können. Ich begann meine Whiskyrundreise mit einem 12 Jahre alten Linkwood aus dem Bourbon Cask in Trinkstärke aus der Historic Mulden Valley Train-Serie von Jack Wiebers Whisky World. Gemütlich sauer-fruchtig und gegen Ende mit angenehmer Bitterkeit zum Reinkommen in den Messetag – Der Start war schon mal gut und ich schlenderte mit dem Dram in der Hand mich entspannt umguckend durchs Obergeschoss. Außer dem Stand von Jack Wiebers reizten mich hier oben im wesehtlichen die Stände von Catawiki und Dirk Rosenboom, die haufenweise alte, rare Abfüllungen im Gepäck hatten, ansonsten lagen all meine weiteren Ziele im Erdgeschoss. 



Trotzdem führte mich mein nächster Weg, wie noch so häufig an diesem Tag, direkt wieder zu Jack Wiebers, denn ich hatte dort einige Flaschen eines mir bis dato völlig unbekannten Abfüllers namens „Gleann Mor“ entdeckt, welche ich mir unbedingt nochmal aus der Nähe ansehen wollte. So schaffte es nach ein wenig Überlegen ein Tamdhu 18 aus dem Bourbon Cask mit 49,1% aus der „A Rare Find“-Serie von Gleann Mor abgefüllt für die schottische Fußballnationalmannschaft in mein Glas und avancierte direkt zu meinem absoluten Messe-Highlight: sooo grün-fruchtig und leicht, mit tropischen Aromen und leichter Säure, aber auch feinen Noten von dunkler Schokolade, Vanille und Ingwer – Endlich mal ein Tamdhu, der nicht in Sherry ertränkt ist und hier so richtig zeigen kann, wie großartig das Profil dieser Brennerei ist. Geiles Zeug. Glücklicherweise hatten sie am Stand noch eine geschlossene Flasche da, die ich direkt und ohne Nachdenken gekauft hab. 


Nun ging es aber ins Erdgeschoss und nach allerlei Gesprächen und Begrüßungen von mir bekannten Besuchern oder Standpersonal strandete ich bei Langatun und Seven Seals. Dort hatte es mir ein 13 Jahre alter Dailuaine mit Finish im First Fill Ruby Port aus der Longvalley Selection angetan, der mit 50% Alkoholgehalt in mein Glas wanderte und mir den weiteren Gang durchs Erdgeschoss versüßte, welcher dunkel, saftig, nussig mit minimalen Röstaromen daherkam und bestimmt lecker war, aber er hatte nach dem vorherigen Tamdhu einen sehr schweren Stand. Dabei hatte ich mir bewusst eine Abfüllung mit einem kräftigen Finish ausgesucht, um etwas völlig anderes als vorher im Glas zu haben, aber das hat nicht so richtig geklappt – Die Beiden hätten in der anderen Reihenfolge verkostet gehört.


Die Zeit auf der Messe verflog mit ordentlich Tempo und es waren bereits über zwei Stunden meines Besuches vergangen, als ich am Stand von Whizita/Flickenschild auf die nächste Abfüllung stieß, die unbedingt in mein Glas wollte: bereits ein paar Tage vor der Messe hatten die Jungs aus Itzehoe ihre Ausschankliste für die Hanse Spirit online veröffentlicht und bei genauem Hinsehen hatten sie dabei geleakt, welche drei nagelneuen Eigenabfüllungen sie am ersten Messetag präsentieren wollten. Hierbei war mir direkt der neue Auchroisk 11 aus dem Wine Barrique mit satten 60,7% aufgefallen, welcher nun in mein Glas wanderte. Der war an diesem Tag allerdings so gar nicht meins und brauchte viel Zeit sowie einige Tropfen Wasser, um mich zumindest einigermaßen zu überzeugen. Als ich später mit Aaron von Drams United über diese Abfüllung sprach, war er total begeistert davon und legte mir wärmstens ans Herz, die doch nochmal zu probieren. Werde ich defintiv machen, denn sonst haben die Jungs von Flickenschild mit ihren Eigenabfüllungen meinen Geschmack eigentlich immer getroffen. Da mein bisheriger „Local Dealer“ Whisky Südholstein ja leider sein Geschäft aufgegeben hat, brauche ich eh einen neuen „Local Dealer“ und da Itzehoe nicht so weit weg ist, hab ich das Gefühl, ich werde in Zukunft ohnehin häufiger mal dort vorbeischauen oder bestellen, so dass sich die Chance auf einen zweiten Test des Auchroisk bestimmt mal ergeben sollte.



Nach diesem Dram gönnte ich mir erstmal ein zweites Mittagessen draußen vor der Halle am Foodtruck (Leckeres Pulled Pork mit Ringelpommes), bevor ich mich wieder auf die Suche nach spannenden Drams begab. Diese Suche führte mich an den Stand der Birkenhof Brennerei, bei denen ich letztes Jahr ein tolles Onlinetasting mitgemacht hatte und die mich dabei mit ihren Single Casks absolut überzeugt haben, nachdem ich sie vorher so gar nicht auf dem Radar hatte. Bevor mir Destillateurmiester Jonas dort aber das neueste Single Cask einschenken konnte, wurde mir plötzlich von der Seite hinterhältigst ein Eierlikör aus dem Schokobecher vor die Nase gehalten und schneller als mein Gehirn „Das ist kein Whisky“ sagen konnte, hatte ich den auch schon getrunken. Was soll ich sagen? Klassischer Eierlikör verfeinert mit Himbeergeist und dazu die dunkle Schokolade des Bechers – Schlicht und einfach lecker. Hab den dann auch tatsächlich noch gekauft.


Die Whisky des Birkenhofs werden unter der Marke „Fading Hill“ abgefüllt und das neue Single Cask aus der Warehouse Selection kam mit 6 Jahren und 53% aus dem Bourbonfass daher. Auch hier kann es nur eine große Lobeshymne von mir geben, denn dieser Whisky war richtig, richtig gut und am Ende des Abends wanderte die letzte Flasche vom Stand gemeinsam mit dem Eierlikör in meine Tasche. Saure Äpfel, Birnen, Zitronengras, Vanille, Leder, Honig. Maracuja, Pfirsich, Ingwer, weißer Pfeffer, einfach lecker. Deutscher Whisky kann wirklich toll sein und ich freue mich jetzt schon auf meinen Besuch vor Ort im Mai.


Als Nächstes blieb ich am Stand von Whisky Warehouse No.8 hängen, die außer Whiskys abzufüllen auch noch Fassanteile verkaufen, von denen ich just letzte Woche einen Anteil für einen Linkwood aus dem Rumfass, abzufüllen in 2025, erworben hatte. Was lag also näher, als dort am Stand einen Linkwood 12 Jahre aus dem First Fill Wine Barrique zu probieren? Eigentlich nichts, aber meine Gedanken wurden auch langsam ein wenig verquer. Süffig, mit einer Menge Kirschen, dunkler Schokolade und Karamell sowie der linkwoodtypischen blumigen Note. Ein guter Whisky, aber das vorher genossene Single Cask vom Birkenhof butterte ihn ein wenig unter.


Ich entschloss mich zum Kontrastprogramm und landete am Stand von Thy Whisky, wo mir Aaron dem Maltmod No.20 aus Bourbon- und Olorosofässern in Glas gab. Thy Whisky ist eine noch sehr junge, dafür aber umso experimentierfreudigere Brennerei aus Dänemark, welche vom Getreideanbau übers Mälzen und Räuchern bis hin zum Brennen vor Ort alles selber macht und das auch noch vollständig Organic. Dabei probieren sie sich an unterschiedlichsten Gerstensorten aus und erreichen damit höchst spannende Ergebnisse. Immer Sommer durfte ich mich über ein größeres Tasting Set von Thy hermachen, welches von „Wow“ über „Lecker“ bis zu „Öhm…was ist das denn?“ alles dabei hatte. Der Maltmod No.20 wurde hergestellt mit einem Kara-Malz, welches, wie der Name schon sagt, mächtig nach Karamell schmeckt und nebenbei wie Popcorn riecht. Geräuchertes Birkenholz, Karamell und Espresso waren für mich die hauptsächen Aromen das süffigen Maltmod No.20 und ich kann jedem nur empfehlen, sich mal mit Thy Whisky zu beschäftigen. Die sind zwar kein Schnäppchen, aber die Tasting Sets sind großartig ausgesucht und geben einen wunderbaren Überblick über die Möglichkeiten dieser Brennerei. 



Inzwischen war ich seit fünf Stunden auf der Messe und fand, dass es mal wieder Zeit war, mich im Obergeschoss blicken zu lassen, wo ich am Stand von Whiskydinosaurier Dirk Rosenboom strandete. Nachdem ich dort sabbernd auf die vielen tollen alten Abfüllungen gestarrt hatte, entdecke ich auf seinem Tisch einen Inchgower, den ich auch direkt probierte. Ich hab den leider nicht fotografiert und weiß daher nur noch, dass er nicht unter Inchgower sondern einem sehr ähnlich klingenden Namen für irgendeine Heavy Metal-Facebookgruppe abgefüllt wurde. Alter? Prozente? Fassreifung? Keine Ahnung mehr, denn der ist irgendwie in den darauf folgenden Drams untergegangen. Süffig und solide war er, aber alles andere hab ich leider erfolgreich verdrängt. Dirk, falls du das hier liest: erleuchte mich, was ich da eigentlich genau getrunken habe. 


So kehrte ich für meine Abschlussdrams an den Stand von Jack Wiebers zurück, wo aus einem „Einen trink ich noch, höchstens zwei“ in den nächsten zweieinhalb Stunden schließlich drei Drams wurden. Es begann mit einem Laphroaig 11 Jahre aus Bourbon und Port Casks, abgefüllt in der „Formel Lau Whisky Racing“-Serie. Jede Menge Beeren und Kirschen, aschiger Rauch, Jod, Salz und Pfeffer kombinierten sich hier zu einem tollen Dram. Leider gab es von diesem nur noch die Anbruchflasche, denn er war ausverkauft.



Anschließend durfte es ein Handfilled Longrow mit 58,5% sein – Alter? Fassreifung? Keine Ahnung, aber er war voll von typischen Longrowaromen wie einer dreckigen Autowerkstatt, Möwenscheiße, Räucherspeck, Zitronen und süß-malzigem Rauch sowie beerigen Noten, welche mich am Ende ein Refill Sherry Cask haben vermuten lassen. Genaueres war aus der Abfüllung selber und in Anbetracht der schon länger andauernden Messe, die eventuell minimal zu Lasten meiner Geschmacksknospen gegangen ist, nicht mehr rauszuschmecken. Auf jeden Fall war der toll.


Den Whisky-Abschluss des Abends bildete ein Bowmore 12 Jahre aus einer 1,5-Liter Flasche abgefüllt im Jahr 2009 für die High Spirits Collection, einem italienischen Abfüller. Auch hier war die Fassreifung unbekannt, aber die Noten ließen eher auf ein Bourbonfass schließen. Salzige Algen, kalten Lagerfeuerrauch, bittere Schokolade, minimal Apfel, aber irgendwie auch Erdbeeren, Karamell und Datteln habe ich hier in Erinnerung. Da der letzte Dram eines langen Messetages eigentlich immer lecker ist, kann die Bewertung hier auch gar nicht anders ausfallen: lecker.


Nach fast acht Stunden Messe ging es für mich dann mit den beiden erworbenen Whiskys und dem Eierlikör auf den Weg nach Hause, wobei ich mich auf dem Weg nach draußen von einem Arbeitskollegen noch zu einem 16 Jahre alten fassgelagerten Korn von Hardenberg habe überreden lassen, der völlig ok war, aber gegen die Whiskys von direkt vorher keine großen Chancen hatte, irgendwie rauszustechen. Fazit: schön wars. Ich hatte viele tolle Whiskys, habe mich großartig unterhalten, viel Blödsinn geredet, viele spannende Dinge erfahren und mitgenommen und freue mich bereits jetzt wieder auf die nächste Ausgabe in 2024. In meinem Bericht hab ich jetzt nur die Stände erwähnt, an denen ich etwas getrunken hab und nicht auch noch die, an denen ich einfach nur zum unterhalten mit meinem bereits vollen Glas gestrandet bin, aber auch all diese wie Whiskyjason, Habbel, Schlumberger, Anam na h-Alba, Sauerland, Prineus, Eggers & Franke und all die Freunde und Bekannte und manchmal auch mir vollkommen Unbekannte mit denen ich so quatschen konnte, haben für mich zu einem tollen Tag beigetragen. Ich komme wieder – Keine Frage.


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