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Hanse Spirit 2020

Feb. 04, 2020

Hanse Spirit 2020 – 30.01. – 01.02.

Jedes Jahr freue ich mich darauf und auch dieses Jahr lässt sich feststellen, dass ich es völlig zurecht tue: die Hanse Spirit. Drei Tage Spirituosenmesse in Hamburg mit Themenschwerpunkt Whisky, gefolgt von Gin und Rum in der großartigen Location „Fischauktionshalle“ direkt am Hamburger Fischmarkt. Dieses Jahr gab es bereits die zehnte Auflage der Hanse Spirit und zu dieser waren ca. 75 Aussteller angereist, um ihre Produkte zu präsentieren und auszuschenken. Ich konnte diesmal leider nur am Samstag teilnehmen, habe diesen aber in vollen Zügen genossen.

Die im letzten Jahr bereits eingeführte Verlagerung von Kasse und Garderobe in ein Zelt im Außenbereich brachte auch in diesem Jahr wieder einen ordentlichen Platzgewinn innerhalb der Halle und die schon vor der Öffnung um 13 Uhr bestehende lange Schlange konnte sofort zügig abgearbeitet werden. Die Garderobenmitarbeiter wirkten ob des Ansturmes zwar erst noch erschreckt und ein wenig unkoordiniert, nahmen aber schnell Betriebstemperatur auf, so dass ich fix in die Halle gelangen konnte. Der vordere Drittel der Ausstellungsflächen war eher Gin, Rum und anderen Getränken vorbehalten, während es sich in den hinteren zwei Dritteln zum großen Teil nur um Whisky drehte. Auf der Empore waren ebenfalls noch ein paar Stände, die eher „wild durcheinander“ waren. Da ich nur einen Tag dabei sein konnte, hatte ich mir vorab vorgenommen, nicht über den Whisky-Tellerrand hinauszuschauen, wie ich es sonst gerne mache, aber sowohl die Zeit als auch die Aufnahmefähigkeit meiner Leber sind nun mal einfach begrenzt.

Ich begann den Tasting-Tag am Stand von Kammer-Kirsch, wo ich nach Empfehlung von Sebastian Büsing mit einem Inchmurrin Madeira Wood startete. Dieser war ein durchaus sehr runder, sehr gefälliger Einstiegswhisky, der zwar keine Offenbarung war, aber den ich bedenkenlos zum einfachen genießen weiterempfehlen kann: fruchtig, süß und würzig mit Vanille und Eiche, eher leicht und kurz. Mit dem Einstiegsdram in der Hand schlenderte ich durch die Halle, beäugte schon mal neugierig alle anderen Stände nach Abfüllungen, die ich unbedingt würde probieren müssen und begrüßte ein paar bereits anwesende Hamburger Bekannte und andere Blogger/Vlogger/Internetbekannte. Im Verlauf des weiteren Tages ergaben sich dann noch Gelegenheiten zu Gesprächen mit diversen Leuten, die ich bisher nur aus dem Internet (Facebook/Instagram/usw.) kannte, die sich dann erschreckenderweise alle auch noch tatsächlich als äußerst sympathisch herausstellten und mich mit sehr netten Gesprächen beinah von meiner Whisky-Tasting-Mission abbrachten.

Bei meinem ersten Streifzug durch die Halle stieß ich am Stand von Scotland and Malts auf den Whisky, der mein zweiter Dram des Tages werden sollte: einen Linkwood 12 mit Sauternes Finish abgefüllt von A.D.Rattray. Ich hatte mit Linkwood im letzten halben Jahr, gerade was Finishes angeht, großartige Erfahrungen gemacht und musste einfach testen, ob dies eine Abfüllung war, die mich von meiner sonst vorhandenen Sauternes-Finish-Phobie abbringen konnte. Sauternes Finish und ich – Wir sind nämlich keine Freunde, aber so eine Messe ist immer mal eine gute Gelegenheit herauszufinden, ob sich das Verhältnis verbessert hat oder ob es mir bei bestimmten Whiskys vielleicht doch zusagt. Beim Linkwood jedenfalls konnte ich da keinen Erfolg verzeichnen und spare mir deshalb die genauere Beschreibung, denn die wäre nicht annähernd objektiv. War einen Versuch wert.

Weiter ging es für mich danach bei Whisky Südholstein mit meiner persönlichen Messeentdeckung dieses Jahr: ein 12 Jahre alter Teaninich mit einem  Côtes de Nuits Wine Cask Finish. Côtes de Nuits ist ein Weinanbaugebiet im Burgund aus dem sehr farbintensive, vollmundige, edle Rotweine stammen. Der Dram selber war süß und süffig, gleichzeitig würzig und schokoladig, mit schweren roten Früchten beladen und einer spannenden Zitrusnote ausgestattet und insgesamt einfach lecker. Dem werde ich demnächst nochmal ausführliche Tasting Notes widmen, denn ich hab mir eine Flasche von diesem Dram mit nach Hause genommen.

Vor einer ersten Essenspause zog es mich dann noch zu Anam na h-Alba, wo es einen Ben Nevis von 2006 zu verkosten galt, der mir vorab von anderen Bloggern als auch auf der Messe selber von anderen Ständen als ein „Solltest du unbedingt probieren“ empfohlen wurde und der mir als so etwas wie „der kleine Messe-Hype“ erschien. Mit diesem Dram in der Hand ergab sich ein langes Gespräch am Stand und ich beäugte zusehends neugieriger die wirklich großartig aussehenden Sample-Boxen von Anam na h-Alba aus Holz mit sechs bzw. 24 Drams a 25cl in an Reagenzgläser erinnernden Tubes. Den Gedanken an diese Boxen schleppte ich dann den ganzen Tag über die Messe und hab diese auch höchstens zwanzig Leuten mindestens zum Ansehen empfohlen. Letztlich konnte ich mich nicht durchringen, eine der Boxen zu erwerben, aber  ich bin mir sicher: wenn ich zwei Tage auf der Messe gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich die große Box gejagt. Aber zurück zum Ben Nevis: war lecker, preislich mit 80 € absolut in Ordnung, enthielt alle ganz typischen Ben Nevis-Noten, aber war einfach nicht mein Beuteschema.

Nach einem leckeren Kasslerbrötchen und einer Riesenbrezel stürzte ich mich wieder ins Getümmel an den Ständen, um am Stand der Manufaktur Lehmitz, einem unabhängigen Abfüller aus Hamburg, eine Abfüllung zu verkosten, um die ich schon in deren Laden mehrfach drumherumgeschlichen war: einen Aultmore 23 Jahre aus der Shieldaig Collection mit Aloxe Corton Wine Cask Finish. Entsprechende Finishes hatte ich bisher nur beim getorften Whiskys gesehen und diese hatten mich allesamt begeistert, daher war es für mich Pflicht, einmal zu testen, ob ein Aloxe Corton Finish auch bei einem süffigen Speysider funktioniert. Das Ergebnis: es funktioniert hervorragend und ist mächtig lecker. Ich hab die Abfüllung letztlich nur nicht direkt vor Ort mitgenommen, weil ich zu faul zum Tragen war und noch dazu weiß, dass ich demnächst direkt bei Lehmitz in Hamburg vorbeikomme und sie dort dann mitnehmen werde. Preislich dürfte diese bei 130 bis 150 € angesiedelt sein, aber für einen dreiundzwanzigjährigen Dram mit einem besonderen Finish aus einer sonst nur schwer unabhängig erhältlichen Destille von dem es nur 162 Flaschen gibt, ist der Preis vermutlich marktgerecht. Muss ich haben.

Nun war es Zeit in die torfigen Regionen des Whisky-Galaxie vorzudringen und diese Erkundung startete ich am Stand von Seven Seals, einem Schweizer Abfüller, wo es einen Port Wood Peated Malt gab, der von Jim Murray hoch gelobt wurde und den ich deswegen mal probieren wollte: definitiv sehr in Ordnung, durchaus eine Entdeckung für mich, aber die überschwänglichen Lobeshymnen von Jim Murray kann ich nicht bestätigen. Die teilweise absonderlich schlechten Bewertungen in der Whiskybase allerdings auch nicht. Die Besonderheit bei Seven Seals ist eine angeblich rein physikalische Weiterentwicklung der Reifung von Whisky, die dafür sorgen soll, dass deren Whisky nach einem bis drei Jahren so schmeckt wie schottischer Whisky nach fünfzehn bis achtzehn Jahren. Ich bin skeptisch, aber gespannt, was von dort noch so kommen wird. Der Peated Port Wood wirkte recht jung, aber trotzdem kräftig und durchdacht. Ein schöner Trinkwhisky, nur nicht allzu komplex.

Weiter ging es mit einem St. Kilian Four, der erst wenige Tage vorher erschienen und beinah überall mit Spannung erwartet worden war, wie mir schien. Dementsprechend voll war es immer am Stand von St. Kilian selber, so dass dort keine große Möglichkeit zu einem Gespräch bestand. Aber den Dram musste ich natürlich trotzdem haben: Frucht, Frucht, Frucht, Asche. Insgesamt ordentlich, aber ich hätte mir noch weniger Einfluss aus der Sherryreifung und mehr vom Brennereicharakter gewünscht. Eine paar Jahre mehr im Fass und nur eine Sherryfinish statt einer Vollreifung und der Whisky wird, glaub ich, richtig gut. Zumindest ersteres ist natürlich noch nicht möglich, da St. Kilian ja erst seit 2016 brennt, aber ich werde sie mit Sicherheit im Blick behalten und die Entwicklung gespannt mit dem Gaumen beobachten.

Anschließend war ein Whisky dran, der mir bei der Whiskyburg Wittlich aufgefallen war: ein Kilchoman in Fassstärke mit Rum Finish, der mich aber letztlich nicht so sehr vom Hocker riss, weil es den Rum nur in der Nase gab, der schöne Kilchoman-Speck kaum vorhanden war und mir die Eiche zu stark durch kam. Weiter ging es mit einem Ledaig vom Bremer Spirituosen Contor, der zwölf Jahre lang reifen durfte, ein Sherryfinish bekam und in der Old Particular-Serie von Douglas Laing abgefüllt wurde. Eine neutrale Bewertung ist für mich als bekennendem Ledaig-Liebhaber immer ein bisschen schwierig, aber der Dram war sehr ordentlich, wenn auch keine überragende Erscheinung. Ganz zum Abschluss des langen Whiskytages gab es einen Port Charlotte MRC:01, der, wie der Name verkürzt sagt, in einem Mouton Rothschild-Fass gereift ist. Dieser Whisky gab mir nochmal eine schön pikante, intensive, vollmundige Note mit auf dem Heimweg, obwohl das Finish überraschend kurz war. Trotzdem ein rundum gelungener Dram, bei dem ich nochmal intensiv drüber nachdenken werde, ob ich davon nicht eine ganze Flasche haben möchte.

Insgesamt bleibt zu sagen: die Hanse Spirit war wieder schön, intensiv, kommunikativ und müsste eigentlich öfter stattfinden, damit ich fauler Sack meine Heimatstadt für eine Messe nicht verlassen muss. Danke an Chris Rickert und das Messe-Team: Ihr habt einen guten Job gemacht.
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